Was wir tun
Handeln in Partnerschaft mit Armutsbetroffenen und Ausgegrenzten
Die am meisten Benachteiligten suchen
Ziel von ATD Vierte Welt ist es, die am meisten benachteiligten Menschen zu erreichen.
Warum bei den vielleicht aussichtslosesten Situationen ansetzen?
Gerade diejenigen, die am weitesten am Rand stehen, müssen in die Mitte geholt werden. Maßnahmen, die die Schwächsten stärken, kommen auch allen anderen zugute. Sie sind somit der Gradmesser der Wirksamkeit und des Willens, die Rechte und Würde ALLER Menschen zu gewährleisten.
Dieser Vorrang der Schwächsten macht ATD Vierte Welt zu einer Suchbewegung hin zu Menschen, die noch weniger wahrgenommen werden als die bereits angetroffenen, um einer Vertiefung der Ausgrenzung entgegenzuwirken.
Es braucht vor allem Zeit, den Menschen zu begegnen und ihre Lebenssituation zu verstehen. Um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, verteilt ATD Vierte Welt keine Spenden, sondern versucht, gemeinsam Projekte zu verwirklichen.
Dazu ist es genauso notwendig, die Menschen ihrer Gemeinschaft zu erreichen, die sie bereits unterstützen, und sich für sie einsetzen.
Beispiel aus Tansania: Anerkennung für die Ärmsten in ihrer Umgebung erringen
Die Arbeit von ATD Vierte Welt begann 2000 in Dar es Salaam. Ein Volontär besuchte regelmäßig den Fischmarkt, um die Jugendlichen zu treffen, die dort am Strand und in ausgemusterten Booten leben. Diese Jugendlichen helfen den Händlern, indem sie Holz bringen, welches zum Trocknen der Fische notwendig ist. Die Besuche ermöglichten, Beziehungen und Vertrauen aufzubauen. Trotz der Armut und der Ausgrenzung, die diese Jugendlichen selbst erfahren, helfen sie einander, wo nötig. Sie legen zusammen für Rechnungen beim Arzt oder Beerdigungen, sie besuchen einander im Krankenhaus oder im Gefängnis und teilen auch, was sie zum Essen haben. Ihre Gesten gegenseitiger Unterstützung bleiben im Verborgenen. Verschiedene Projekte ermöglichten, ihnen Anerkennung zu verschaffen. Zum Beispiel halfen zehn Jugendliche bei der Renovierung einer Blindenschule. Der Direktor hob vor den versammelten Lehrern, Eltern und Vertretern der lokalen Behörden die besondere Bedeutung ihres Einsatzes hervor. Samueli, einer der Jugendlichen sagte zum Abschluss der Arbeiten: „Vor einigen Jahren lebte ich noch einsam wie ein Tier auf der Straße, bis ich dazu kam, anderen zu helfen. Dies gab mir Vertrauen und Zuversicht für mein eigenes Leben. In diesem Moment habe ich meine Augen geöffnet und erkannt, dass ich für andere etwas tun kann, etwas für die Gesellschaft beitragen kann.“ Inzwischen hat das Team auch noch Beziehungen zu Menschen an zwei anderen bedeutsamen Orten geknüpft : In einem stillgelegten Steinbruch, in dem trotz des Verbotes und aller Gefahr, Männer und Frauen Steine zu Schotter hauen. Der andere ist ein Viertel, in das viele Menschen Angst haben hinzugehen. Jede Woche finden dort Aktivitäten mit Kindern statt. Dies war möglich geworden, seitdem Jugendliche vom Fischmarkt im Team von ATD Vierte Welt mitarbeiten.
Gemeinsam Projekte verwirklichen
Der Zugang zu grundlegenden Rechten – auf würdige Arbeit, Wohnraum, Bildung, Gesundheit und Teilhabe – steht im Vordergrund, damit Menschen Eigenständigkeit erlangen können. Ausgehend von der Situation und den Bedürfnissen Einzelner, sollen Wege eröffnet werden, die allen Menschen der Gemeinschaft diesen Zugang garantieren.
Dabei steht besonders der Zugang zu Bildung und Kultur im Vordergrund. Wir entwickeln Projekte, die Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft zusammenbringen und zeigen, dass alle Menschen Wissen und Fähigkeiten besitzen und miteinander teilen können. Dazu gehört, Menschen zu befähigen, ihre Erfahrungen und Ideen auszudrücken und in Austausch mit anderen zu treten.
Beispiel aus Haiti: Den Zugang aller zu den Grundrechten sichern
In dem Viertel Martissant Bolosse in Port-au-Prince leitet ATD Vierte Welt ein Projekt, an dem ungefähr 300 Familien teilnehmen, um ihnen Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge zu ermöglichen. Dabei nehmen sie nicht nur Teil, sondern werten es regelmäßig mit aus und beteiligen sich an der Durchführung. Die vier unterschiedlichen Programme bauen auf dem Wissen der Familien, ihren Erwartungen und ihrer Mitwirkung auf:
- „Willkommen mein Kind“ heisst das Projekt zur Entwicklung von Säuglingen bis zum Alter von 3 Jahren, die kritischste Phase der kindlichen Entwicklung. 80 Kinder und ihre Eltern nehmen daran teil.
- Eine Vorschule, die 55 Kinder von 3 bis 6 Jahren empfängt.
- Erziehung zur Gesundheitsfürsorge für die Erwachsenen ; diese erreicht jährlich etwa 250 Menschen
- Zugang zur medizinischen Versorgung für Familien über einen Gesundheitspass für etwa 920 Familien, d.h. fast 4000 Menschen, davon 700 (18%) Kinder under fünf Jahren.
Die beiden Achsen des Projektes, Gesundheitsfürsorge und Erziehung, sind eng miteinander verknüpft. Zentrales Anliegen ist die Beteiligung der ärmsten Familien an der Entwicklung eines solchen Programms und die Einbindung lokaler Kräfte. Während das Projekt zu Beginn ausschließlich von ATD Vierte Welt getragen wurde, hat dieser Ansatz die notwendige öffentliche Anerkennung erfahren. Inzwischen wird das Projekt von zwei lokalen Organisationen getragen und dabei im Kontakt mit den Familien von den Mitarbeitern von ATD Vierte Welt unterstützt.
Den Dialog mit Zivilgesellschaft, Institutionen und Behörden fördern
ATD Vierte Welt möchte Bürger und Vertreter von gesellschaftspolitischen Einrichtungen gewinnen, sich dem Anliegen einer Welt ohne Armut und Ausgrenzung anzuschließen.
Die Bewegung informiert über die Folgen von Armut und nimmt an Auseinandersetzung zur Armutsbekämpfung teil.
Besondere Bedeutung gewinnt dabei die Teilnahme von armutsbetroffenen Menschen, die mit ihrer eigenen Erfahrung, ihren Vorstellungen und Ideen in die gesellschaftspolitischen Entscheidungsprozesse einbezogen werden sollen.
Beispiel aus Spanien: Eine Ausstellung um Vorurteile zu überwinden
An keinem geringeren Ort als dem Sitz der europäischen Institutionen in Madrid wurde eine Ausstellung mit dem Titel: „Wenn Blicke einander begegnen: Hinter der Armut gibt es – dich und mich“ eingeweiht. Diese Ausstellung zeigt, was aus der Begegnung entstehen kann, wenn die Menschen bereit sind, Vorurteile und Äußerlichkeiten hinter sich zu lassen. Sie besteht aus vierzig Silhouetten, die von Menschen sehr gegensätzlicher sozialer Herkunft gemacht wurden und zu dieser Begegnung bereit waren. Jedoch kennzeichnet die Silhouetten in nichts diese Herkunft. Damit sollte verdeutlicht werden, dass es vor allem darum geht, den Anderen als Mensch wahrzunehmen.
Während der Pressekonferenz erklärte Leo Sánchez, die Armut aus eigener Erfahrung kennt, inwiefern diese Ausstellung und die Kultur im Allgemeinen im Kampf gegen Armut eine entscheidende Rolle einnehmen: “ Die meisten der Menschen, die in Armut leben, haben nie ein Museum besucht. Aber jeder von uns trägt seine eigene Kreativität in sich. Es ist oft schwer für uns, diese zu zeigen, aus Angst, nicht anerkannt zu werden. Und doch wollen auch wir etwas geben, etwas ausdrücken können und unseren Geist und unsere Seele bereichern. „
Armut und menschliche Beziehungen erforschen
In Partnerschaft mit den betroffenen Menschen untersucht ATD Vierte Welt Fragen zur Armut, die deren Wissen und Erfahrungen mit einbeziehen. Wir versuchen Mechanismen der Verarmung zu verstehen und Lösungen zu ihrer Überwindung zu fördern. Der Dialog allgemeiner gesellschaftspolitischer Fragen wird durch Veröffentlichungen, Veranstaltungen und Kooperationen insbesondere mit Universitäten bereichert.
Der Erfolg der Arbeit von ATD Vierte Welt lässt sich nicht quantitativ messen, vielmehr durch die Aufrichtigkeit und die Tiefe des eingegangen Engagements. Dieses wird immer mehr öffentlich anerkannt und macht die Bewegung zu einer bedeutsamen Vertreterin der Stimme der Ärmsten.
Beispiel aus Frankreich: Wenn das Wissen der Ärmsten und der Universitäten sich gegenseitig befruchten
ATD Vierte Welt hat 1996 ein Forschungsprogramm zwischen armutsbetroffenen Menschen und der Universität ins Leben gerufen mit dem Ziel, ein neues Wissen zur Bekämpfung der Armut zu entwickeln. Dieses Programm hat aufgezeigt, dass aus der Verknüpfung der Erfahrungen armutsbetroffener Menschen mit der Kenntnis wissenschaftlicher Forschung ein besseres Verständnis der Wirklichkeit entsteht.
Die Erkenntnisse dieser Arbeit, sowie die methodischen Grundlagen der Forschung wurden in einem umfassenden Band veröffentlicht, damit dieser Ansatz in die universitäre Ausbildung Einzug halten kann. In Fortsetzung dieser Arbeit wurde eine neues Programm entwickelt, um die Partnerschaft mit den Ärmsten im realitätsnahen Umfeld zu fördern. Fortbildungen in diesem Bereich werden von armutsbetroffenen Menschen und Ausbildern in verschiedenen Praxisfeldern (Erziehung, Sozialarbeit, Justiz…) gemeinsam durchgeführt, wobei beide Seiten die Sichtweisen des Anderen kennen lernen und in die Praxis im Alltag einbeziehen können.
…und Belgien 2017/2018 :
„Vom Misstrauen zur Gegenseitigkeit“ war das Thema einer gemeinsamen von ATD Vierte Welt organisierten gemeinsamen Schulung für Sozial-arbeiter und Eltern, die Erfahrung mit diesen Dienstleistungen, aber auch mit Armut und sozialer Ausgrenzung haben. Mithilfe der Methode der Wissensvernetzung konnte ein besseres gegenseitiges Verständnis entstehen.
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