Leitgedanken der Internationalen Bewegung ATD Vierte Welt

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz

„Wo immer Menschen dazu verurteilt sind, im Elend zu leben, werden die Menschenrechte verletzt. Sich mit vereinten Kräften für ihre Achtung  einzusetzen, ist heilige Pflicht.“

Père Joseph Wresinski (17. Oktober 1987)

Leben in Würde ist ein grundlegendes Menschenrecht. Armut kompromittiert die Chancen auf ein würdiges Leben, denn arm sein bedeutet mehr als nur zu wenig Geld haben. Armut heißt – mit den Worten von Betroffenen – „auf Hilfe angewiesen“, „abhängig“, „ohnmächtig“ sein, „nicht mithalten können“ und „nicht dazugehören“. Wo Teilhabe fehlt, entsteht soziale Ausgrenzung. Die Beiseite- gelassenen zeigen uns, wo unsere Gesellschaft nicht funktioniert. Dadurch wird Armut zu einer zentralen Frage an unsere Demokratie. Um Armut und soziale Ausgrenzung überwinden zu können, fördert ATD Vierte Welt den Dialog zwischen Armen und der Gesellschaft. Dabei wird von den Erfahrungen der am meisten Benachteiligten ausgegangen, denn diese bleiben ausge- schlossen, wenn sie nicht als gleichwertige Partner anerkannt werden. Ihr Wissen und ihre Ideen sind unentbehrlich für die Gestaltung einer gerechteren Gesellschaft. 

„Armut wird von Menschen gemacht und die Menschen können sie auch überwinden.“

Père Joseph Wresinski


Jeder Mensch, ungeachtet seiner sozialen Stellung, Denk- oder Lebensweise, Herkunft oder Rasse, trägt in sich einen unverlierbaren Wert: seine Menschenwürde. Diese garantiert seine absolute Gleichwertigkeit mit allen Menschen und gibt jedem dasselbe Recht, sich frei für das eigene Wohl und das anderer einzusetzen. 

In allen Gesellschaften stellen Lebensbedingungen, wenn sie zu hart sind, Schwierigkeiten sich häufen und zu lange dauern, diese Freiheit in Frage und lassen Menschen ins soziale Abseits gleiten. Dies zeigt, dass nicht alle Menschen die notwendigen Chancen erhalten, sich ihren Fähigkeiten entsprechend entwickeln und frei handeln zu können. 

„Jeder Mensch ist eine Chance für die Menschheit“, war ein Leitgedanke des Gründers von ATD Vierte Welt, Père Joseph Wresinski. 

Eine Gesellschaft, die auf dieser Einsicht und der oben genannten Überzeugung aufbaut, holt die am meisten Benachteiligten in ihre Mitte, um ihnen wirkliche Chancengleichheit in Persönlichkeitsbildung, Selbstbestimmung und Teilnahme am Leben der Anderen zu sichern. Ihre Erfahrung mit Armut und sozialer Ausgrenzung sind Anstoß, gemeinsam das Zusammenleben in unserer Gesellschaft menschlicher zu gestalten. 

Aus diesen Gründen setzt sich die internationale Bewegung ATD Vierte Welt für eine Gesellschaft ein, in der niemand beiseite gelassen wird und die Prioritäten stets ausgerichtet werden zugunsten der am meisten Benachteiligten. An deren Fortschritt lässt sich messen, ob wir unserem Ziel, einer wirklich gerechten Gesellschaft für alle, näher kommen. 

Freiwilliges und verantwortliches Handeln – persönlich und gemeinsam – sind die Grundlage für deren Verwirklichung. Die internationale Bewegung ATD Vierte Welt stützt sich auf das Engagement von Menschen, die Armut aus eigener Erfahrung kennen, auf Menschen, die sich innerhalb der Gesellschaft und in ihrem eigenen Umfeld für die Anerkennung und die Rechte Ausgegrenzter einsetzen, und Menschen, die langfristig und verbindlich mit den Ärmsten einen gemeinsamen Weg gehen.

Formulierung: ATD Gruppen in München und Neudorf, 2009