Gemeinsames Übereinkommen

Zusammen mit Menschen, die in extremer Armut leben, eine gerechte und nachhaltige Welt gestalten, in der niemand zurückgelassen wird

Die gemeinsamen Schwerpunkte der
Internationalen Bewegung ATD Vierte Welt
2019 ­ – 2023

(gekürzte Fassung*)

Für die Jahre 2019-2023 hat sich die Internationale Bewegung ATD Vierte Welt eine Leitlinie und 4 Handlungsschwerpunkte gegeben.

Die Leitlinie: Das Vorhaben, „niemanden zurück zu lassen“, in die Tat umsetzen

ATD Vierte Welt glaubt an die Notwendigkeit, Menschen, die in 4{unserer Welt unter den schlimmsten Bedingungen und auf lange Zeit in Armut leben, Priorität einzuräumen.

„Niemand zurücklassen“ – dazu rufen Menschen auf, die sich Tag für Tag gegen Armut und Ausgrenzung wehren und die Erschöpften nicht im Stich lassen wollen. Sie erfüllen so eine notwendige Voraussetzung für dauerhaften Frieden.

„Niemand zurücklassen“ bedeutet die am stärksten isolierten und am wenigsten geachteten Menschen zu erreichen, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen und ihnen die Bewegung als einen Weg zur Überwindung extremer Armut und sozialer Ausgrenzung vorschlagen.

„Niemand zurückzulassen“ bedeutet, neue Personen dazu gewinnen, sich als haupt- oder ehrenamtliche Mitarbeiter an der Überwindung der Armut zu beteiligen, und alleingelassenen Bevölkerungsgruppen beseite zu stehn.

„Niemanden zurücklassen“ bedeutet, den Dialog mit Verbänden, Netzwerken und Einrichtungen zu verstärken und zusammenzuwirken, damit sich die Verhaltensweisen ändern und alle Zugang zu den Menschenrechten erhalten.

„Niemand zurücklassen“ dient als Leitlinie für alles, was wir unternehmen. Dieses anspruchsvolle Ziel wurde in die Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung 2030 aufgenommen.

1 – Die Fähigkeiten und das Wissen aller Menschen optimal nutzen, um den globalen Herausforderungen zu begegnen

Seit über sechzig Jahren bietet ATD Vierte Welt Menschen die Möglichkeit, das, was sie aufgrund eigener Erfahrung und Überzeugung über Armut wissen und denken, ans Licht zu bringen.

In den kommenden Jahren wollen wir

  • weiterhin mit den Bedingungen experimentieren, unter denen Armutsbetroffene an Orten des Wissens und der demokratischen Entscheidungsfindung mitreden können: Hochschulen, Forschungszentren, lokale, nationale und internationale Behörden;
  • den Ansatz der Verflechtung von Wissen und Praktiken weiter entwickeln und verbreiten;
  • die Ergebnisse der partizipativen Forschung über die Dimensionen der Armut bekannt machen, vertiefen und in die nationale und internationale Vertretungsarbeit einfliessen lassen;
  • innerhalb von ATD Vierte Welt weiterhin mit einem Führungsstil experimentieren, der Raum bietet für die Mitwirkung aller.

Partizipative Forschung zu den Dimensionen der Armut : ein gemeinsames Forschungsprojekt der Oxford University und ATD Vierte Welt, an dem Armutsbetroffene, Wissenschaftler und soziale Berufsgruppen weltweit beteiligt waren. Neun Aspekte der Armut kamen zutage, die bisherige Massnahmen zur Armutsbekämpfung in Frage stellen.

Verflechtung von Wissen und Praktiken©: Diese von ATD entwickelte Methode ermöglicht es, die Voraussetzungen zu schaffen, damit das Wissen aus der Lebenserfahrung von Menschen in Armut s mit wissenschaftlichem und im Beruf erworbenes Wissen in Beziehung treten kann. Diese verschiedenen Arten von Wissen zusammen erzeugen ein vollständigeres Wissen und verbesserte Handlungsmöglichkeiten.

2 – Für eine Bildung, die die Fähigkeiten eines jeden fördert

Seit ihren Anfängen arbeitet ATD Vierte Welt mit von Armut betroffenen Familien auf der ganzen Welt zusammen, um ihre Hoffnungen auf eine qualitativ hochwertige Bildung für alle zu erfüllen.

Wir werden weiterhin

  • die Neugier und Freude am Lernen wecken, die Fähigkeiten und die Kreativität von Kindern und Jugendlichen freisetzen;
  • ­die von der Familie und der Gemeinschaft vermittelten Kenntnisse identifizieren und nach Möglichkeiten suchen, wie sie das in der Schule vermittelte Wissen ergänzen können;
  • erreichen, dass die Eltern als wesentliche Akteure und Partner für den Bildungserfolg ihrer Kinder anerkannt werden;
  • zwischen Familien, Gemeinschaften und Bildungseinrichtungen Brückens bauen, um das Recht auf eine hochwertige Grund­ und Berufsbildung wirklich für alle durchzusetzen;
  • die Zusammenarbeit zwischen den Lernenden als Alternative zum Wettbewerb fördern. Gemeinsam gegen Diskriminierung vorgehen. Mit Tapori­Aktivitäten den Geist der Freundschaft verbreiten;
  • uns und die Mitarbeiter in unseren Projekten weiterbilden, Schulungsmaterial entwickeln und verbreiten;
  • unsere Erfahrungen und unsere Erfolge mit anderen teilen, den Dialog mit Bildungsfachleuten in Praxis und Forschung suchen.

Straßenbibliotheken ermöglichen Kindern aus benachteiligten Verhältnissen und deren Familien den Zugang zu Büchern, Kunst und anderen Mitteln der Wissensaneignung. Diese Aktion ist offen für alle und findet in ihren Wohnvierteln statt. Eine Zeit um sich auszutauschen, um den Wissensdurst der Kinder zu stillen, um die Bildungsgemeinschaft und vor allem die Eltern zu mobilisieren.

Tapori wurde von ATD Vierte Welt ins Leben gerufen und schlägt Aktionen vor, die die Freundschaft zwischen Kindern aus allen Gesellschaftsschichten zum Inhalt haben. Als Mitwirkende im Einsatz gegen die Armut erfinden3 – Für eine Gesellschaft, die die Menschen und die Erde achtet, und einen Weg zum Frieden aufzeigt. sie Wege des Zusammenseins, die niemanden auslassen.

3 – Für eine Gesellschaft, die die Menschen und die Erde achtet, und einen Weg zum Frieden aufzeigt.

Durch Pilotprojekte, in denen die Ärmsten den Vorrang haben, erprobt ATD Vierte Welt eine Wirtschaft, die sozialen und wirtschaftlichen Reichtum produziert und gleichzeitig die Ressourcen der Erde schont.

In den kommenden Jahren wollen wir

  • besser verstehen, was Menschen in extremer Armut unternehmen, um ihre Familien am Leben zu erhalten, ihre Umwelt zu schützen, das Gemeinwesen zu unterstützen und Frieden zu stiften;
  • besser verstehen, wie und in welchem Kontext die Länder sich bemühen, ihre Verpflichtungen für eine nachhaltige Entwicklung und für die Bekämpfung von Klimawandel und Umweltzerstörung einzuhalten;
  • diejenigen, die innovative Projekte entwickeln, befragen, wie sie die Ärmsten daran beteiligen;
  • zum Schutz gefährdeter und in extremer Armut lebender Bevölkerungsgruppen, darauf hinwirken, dass der ökologische Übergang Menschenrechtsverpflichtungen einschließt; ferner die Leitprinzipien der Vereinten Nationen zu extremer Armut und den Menschenrechten auch weiterhin in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken;
  • Dialog suchen mit denjenigen, die sich um die Förderung der sozialen Grundsicherung für alle bemühen. Von der Erprobung eines Sozialschutzsystems, das in Haiti auf der Grundlage der Bevorzugung der Ärmsten errichtet wurde, lernen, sowie die Bedingungen für seine Nachhaltigkeit Dermitteln;
  • die Dynamik der Projekte „Gemeinsam arbeiten und lernen » fortsetzen. Die Zusammenarbeit zwischen Menschen mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund bei Einkommen schaffenden Aktivitäten entwickeln, damit die Ärmsten Zugang zu ihnen haben können.

Soziale Grundsicherung: Der Zugang aller zur Grundversorgung ist möglich, wie ein Projekt zeigt, das ATD Vierte Welt in Haiti durchführt. Es zielt speziell auf extrem gefährdete Familien ab, und gibt Ihnen eine „Krankenversicherungskarte“. Das Projekt wird dank der Mobilisierung lokaler Partner und internationaler Finanzierung ermöglicht.

Die Projekte „Zusammen arbeiten und lernen“ wurden von ATD Vierte Welt in Guatemala, Madagaskar und Frankreich initiiert. Es handelt sich um Unternehmen, in denen Menschen, die weit von der Arbeitswelt entfernt sind oder aus dem informellen Sektor kommen, sich anderen anschließen, um gemeinsam einkommensschaffende Projekte zu entwickeln und menschliche und solidarische Beziehungen zu knüpfen.

4 ­ – ATD Vierte Welt nachhaltig weiterentwickeln

Nur anspruchsvolle und langfristige Politik und Aktionsprogramme, die die gleiche Würde aller Menschen zum Maßstab haben, können die extreme Armut beseitigen. Die Überwindung der sozialen Ausgrenzung erfordert ein Langzeit-Engagement von Menschen.

In den kommenden Jahren wollen wir

  • die Entwicklung einer Dynamik der Überwindung der Armut in der ganzen Welt fortsetzen, insbesondere durch den Welttag am 17. Oktober;
  • zu einem langfristigen Engagement einladen, insbesondere junge Menschen;
  • internationale Treffen und Austausch zwischen den Mitgliedern der Bewegung ATD Vierte Welt organisieren, Solidarität und Handlungsfähigkeit stärken, damit diejenigen, die sich schämen, arm zu sein, stolz auf sich und andere sein können;
  • die von Joseph Wresinski entwickelten Gedanken und Ansätze weiterhin bekannt machen. Er hat die in Armut lebenden Menschen als Partner eingeführt. Er hat Referenzmodelle erstellt, die all jene ipnspirieren können, die sich gemeinsam für die Überwindung der Armut einsetzen.

Joseph Wresinski gründete 1957 mit den Familien des Obdachlosenlagers von Noisy-le-Grand (Frankreich) die Bewegung ATD Vierte Welt. Nachdem er als Kind selbst extreme Armut erlebt hatte, entwickelte er ein Denken und Handeln, angereichert aus der Erfahrung und dem Wissen derer, die in Armut leben, und verankert in der gleichen Würde aller Menschen.

 

Die Internationale Bewegung ATD (All Together in Dignity) Vierte Welt wirkt über ein Netzwerk von etwa hundert Gruppen in 35 Ländern. Diese Gruppen setzen sich aus Personen und Familien mit gelebter Erfahrung von Armut und sozialer Ausgrenzung und anderen aus unterschiedlichsten Lebensbereichen zusammen. Gemeinsam führen sie mit geringen finanziellen Mitteln, aber viel Einsatzbereitschaft Aktionen durch, die sich an einem alle fünf Jahre erneuerten gemeinsamen Übereinkommen orientieren. Der vorausgehende Text beschreibt die Engagements und Ziele für den Zeitraum 2019 – 2023.

Die Bewegung ATD Vierte Welt ist der Urheber des Welttages zur Überwindung extremer Armut, der 1992 von der UNO anerkannt wurde. Sie hat dazu beigetragen, dass die Vereinten Nationen 2012 die Leitprinzipien „Extreme Armut und Menschenrechte“ verabschiedeten, und dass 2015 die Verpflichtung „niemanden zurück zu lassen“ in die Ziele der nachhaltigen Entwicklung bis 2030 aufgenommen wurde.

* ungekürzte Fassung hier herunterladen