Den am meisten Benachteiligten begegnen
Auf der ganzen Welt klopfen Mitglieder von ATD Vierte Welt an Türen: von Wohnungen in heruntergekommenen Blöcken großer Städte, von Hütten in Elendsvierteln, von Unterkünften unter Brücken oder versteckt im Wald, fernab anderer Behausungen, um mit den Menschen, die dort leben, in Kontakt zu kommen. Sie hören zu, um zu verstehen, was jene über ihr Leben sagen, und fragen sich: Warum sind sie dort? Was erhoffen sie für sich selbst und ihre Kinder? Wie gelingt es ihnen jeden Tag auf’s Neue, sich nicht unterkriegen zu lassen?
Menschen aufzusuchen, die am Rand der Gesellschaft leben, gehört zu den grundlegenden Vorgehensweisen der Bewegung ATD Vierte Welt. Es ist der notwendige erste Schritt, um die am meisten von Armut gezeichneten Menschen in Projekte miteinzu-
beziehen. Später, wenn diese Projekte umgesetzt werden, wird wieder an die Tür geklopft – und nicht nur einmal – , damit die Projekte dem Wunsch und den Vorstellungen der Menschen entsprechen, für die sie gemacht sind, ob sie nun selbst aktiv daran teilnehmen oder nicht.
Ein Volontär beschreibt die Bedeutung dieses Vorgehens: „Wie oft habe ich an die Tür jener Familie geklopft, bevor wir mit der Straßenbibliothek angefangen haben, ohne dass ich jemals eintreten konnte. Oft gab es keine Antwort, selbst wenn die Geräusche ahnen ließen, dass jemand zu Hause war. Manchmal ging die Tür einen Spalt breit auf, aber nur so viel, dass die beiden Kinder, die ich im Laufe der Wochen kennen gelernt hatte, hinaus huschen konnten. Wie jeden Mittwoch warteten sie ungeduldig darauf, zum Bücher lesen und Malen zu kommen. Zwei ganz stille Kinder, neugierig, aber auch sehr in sich gekehrt.
Drei Jahre lang ist es mir nicht gelungen, mit den Eltern zu sprechen; vielleicht eine Begrüßung, über die Köpfe der Kinder hinweg, bevor sich die Türe wieder hinter ihnen verschloss.
Warum ich so hartnäckig blieb ? Um die Kinder einzuladen, natürlich! Aber sicher auch wegen genau dieser Tür, die zahllose Spuren von Gewalt aufwies, die irreparable Schäden hinterlassen hatten. Sie waren für mich ein Zeichen, dass diese Familie viel durchzustehen hat, bisweilen von ungelegenen Besuchern bedroht wird. Die Tür selbst erklärte mir bereits ein wenig, warum sie sich für Fremde, wie ich ja einer in diesem Viertel war, nicht öffnete.
Nach drei Jahren ging ich fort und der Volontär, der mir nachfolgte, klopfte auch weiterhin an diese Tür. Einige Zeit später wurde sie schließlich geöffnet. Die Mutter entschuldigte sich bei ihm mit den Worten: „Wir hatten so viele Probleme, dass wir nicht aufmachen konnten. Aber unsere Kinder sind so froh mit ihnen lesen zu können!“ Und lächelnd fügte sie hinzu: „Sie haben ja auch nicht locker gelassen, so dass wir uns gesagt haben: Diese Menschen können uns nichts Böses wollen.“
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