Ein großer Schatz
Gruppenfoto im Joseph Wresinski Zentrum © ATD Vierte Welt 1181-028-001
Im August 2021 empfing das Internationale Zentrum der Bewegung ATD Vierte Welt bei Paris ein deutsches Paar, Manuela und Charly Wendt. Sie brachten einen großen Schatz mit.
Dies ist seine Geschichte:
Zur Einweihung einer Nachbildung des Gedenksteins für die Opfer extremer Armut, am 30. Mai 1992 in Berlin, gestalteten die Familien der Vierten Welt aus München und Dachau ein Gästebuch. Dass dieses Projekt verwirklicht werden konnte, ist vor allem Manuela Wendt zu verdanken, die auch als Illustratorin mitwirkte und sehr motiviert war: « Egal wo Du stehst, ob reich oder arm, tue was zu tun ist mit all Deiner Kraft.»
Manuela erzählt: « Für uns war ‹Das Buch zum Stein› eine Einladung an alle, die sich mit dem Text des Gedenksteins einverstanden erklären, Zeugnis abzulegen für ihre Solidarität mit den Ärmsten und am meisten Benachteiligten. Wir kauften das Buch in einer lokalen Druckerei. Der Verantwortliche der Druckerei gab mir Material, um das Logo von ATD auf dem Einband anzubringen. […] Viele Seiten sind mit Tinte und Feder geschrieben. […] Ich habe von Hand unter anderem den Text des Gedenksteins geschrieben. Wir kamen jeweils in der Gruppe zusammen, um herauszufinden, was darin stehen soll und wie wir das umsetzen können. Jedes Jahr wurde eine Delegation gebildet, die das Gästebuch zu der Feier in Berlin mitbrachte und alle einlud etwas hineinzuschreiben, um ihre Solidarität mit den Ärmsten auszudrücken.»
Beim Durchblättern werden Erinnerungen wach. « Nicht nur den 17. Oktober haben wir in diesem Buch verewigt, sondern auch andere Ereignisse der Bewegung, wie die Begegnung mit Boutros Boutros Ghali, dem damaligen Generalsekretär der UNO, an der Charly Wendt und andere Delegierte aus München teilgenommen haben.» (im Juni 1996 in Genf)
Viele Menschen haben im Buch ihre Unterschrift hinterlassen mit wichtigen Beiträgen und auch sehr schönen Bildern. Unter einer Zeichnung vom Einweihungstag am 30. Mai 1992 stehen auf Französisch die Worte: « Unauslöschliches Bild. Unerschütterlicher Tag. Ich denke an die Familien in München, die sich an dieser großartigen Aktion beteiligt haben.
Christian Veit, Wehrdienstverweigerer und Freiwilliger in München.»
Mehrmals wurden auch Bilder mit Linoldruck gestaltet. So entstand 1993 dieses Zeugnis der Universität Vierte Welt München: « Mit diesem Bild, diesem Linoldruck, wollen wir ausdrücken, dass wir das Brot mit allen teilen wollen, ohne einen Unterschied zwischen den Rassen zu machen. Jeder soll die Gelegenheit haben im Vertrauen zu geben und zu nehmen.» Frau Miler sagte: « Mit der Vierten Welt bemühen wir uns darum, dass alle Armen ein würdiges Leben haben, ob sie weiss, schwarz, oder asiatisch sind. Wir fühlen uns mit allen Armen der Welt verbunden.» Frau Inge Wendt meinte: « Wir wollen nicht, dass jeder zerrt und zieht und versucht, den grösseren Brocken zu bekommen, sondern dass jeder richtig teilt, damit jeder das gleiche Stück abbekommt.» Daher kommt die Idee dieses Bildes.
Anschließend, während der Volksuniversität, wurde dieser Linoldruck den anderen gezeigt, damit sie auch sagen, was dieses Bild für sie bedeutet.
Eine getrocknete Blume erinnert an ein weiteres gemeinsames Werk: « Am 17.10. 1996 haben wir, die Delegation der Gruppe aus München/Dachau, in Berlin einen selbstgewundenen Kranz am Gedenkstein niedergelegt. Der Kranz soll ein Symbol unserer freundschaftlichen Verbundenheit sein. Die Gräser, Ähren, Früchte oder Blumen sind von uns allen gesammelt und sollen unsere Erlebnisse, Probleme und Freuden darstellen.»
Jedes Jahr ging eine Delegation zum 17. Oktober nach Berlin und jedes Jahr wurde das Buch durch neue Beiträge bereichert. Der letzte stammt aus dem Jahr 2001. « Nach 2001 blieb dieses Buch 20 Jahre lang in meinem Wohnzimmer. Vor anderthalb Jahren kam Annette zu uns, um uns zum 17. Oktober in Deutschland zu befragen. Da kam mir dieser große Schatz in den Sinn. Im Gespräch wurde mir bewusst, dass mein Wohnzimmer nicht der beste Platz ist für dieses Buch, sondern dass es ins internationale Joseph-Wresinki-Zentrum in Baillet gehört», erklärt Manuela Wendt.
Nun haben sie und ihr Ehemann Charly es dort hinterlegt: « Ich möchte dieses Buch wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen, damit darin gelesen und damit gearbeitet wird – und bessere Zeiten kommen.»
Annette Rodenberg, Deutschland